17. Oktober, 2023 - In Kulturabkommen

Wie kam es zum Kulturabkommen

     Es war eine Überraschung als der slowenische Außenminister Boris Frlec im Januar 1998 – anlässlich seines Besuches bei Vizekanzler und Außenminister Wolfgang Schüssel in Wien – die generelle Bereitschaft Sloweniens, die deutschsprachige Minderheit anzuerkennen, mit einer Einschränkung: sie sollte nicht den Verfassungsstatus der italienischen bzw. magyarische Minderheit erhalten, sondern ihre Existenz sollte im Rahmen des bilateralen Kulturabkommens fixiert werden. So würde man etwa eine Schule mit deutsche Unterrichtssprache einrichten und andere konkrete Maßnahmen im kulturellen Bereich für die Minderheit unterstützen bzw. treffen. Diese Position des slowenischen Außenministers rief in Slowenien teilweise Empörung und offene Ablehnung hervor, so dass kurzfristig sogar mit einer Ablöse des Ministers gerechnet wurde.  (Slovenski vestnik, Nr. 3, von 22.1.1998).

       Und damaliger Premierminister Janez Drnovšek versuchte die Wogen zu glätten in dem er zwar das Kulturabkommen zwischen Österreich und Slowenien ausdrücklich unterstützte, nicht jedoch eine „politische“ Anerkennung der deutschen Minderheit in Slowenien als er für VEČER (13.2.1998) sagte.“ Wir haben kein Verständnis dafür, dass es um den politischen Status der Minderheit gehe, wie ihn die italienische und magyarische Minderheit in der Verfassung haben. Es geht darum, dass die Gruppe der deutschsprachigen Slowenen ihre kulturellen Bedürfnisse, ihre Vereine mit diesen oder jenen Aktivitäten hat, die der slowenische Staat unterstützen kann“.

        Und der Außenminister Schüssel hat als Antwort darauf übermittelt:“ Für den Anfang würde man die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien so anerkennen, dass sie im Kulturabkommen verankert und gemeinsam unterstützt würde.“  Schüssel plädierte für einen gemeinsamen, vernünftigen Mittelweg.

     Die Problematik der deutschsprachigen Bürger Slowenien wurde von österreichischer Seite zum ersten Mal in der selbständiger Republik Slowenien im Jahr 1992 angesprochen, in dem der Republik Slowenien ein offizielles österreichisches Memorandum über die deutschsprachige Volksgruppe in der Republik Slowenien übergeben wurde. Inoffiziell wurde diese Frage von Österreich schon viel früher gestellt, nämlich unmittelbar nach den Mehrparteienwahlen im April 1990, die von der vereinten Opposition Demos gewonnen wurde. Die ganze Nachkriegszeit hindurch scheute Österreich davon zurück, Jugoslawien gegenüber dieser Frage aufzuwerfen. Chronologisch können die Ereignisse für Anerkennung der österreichischen Volksgruppe in Slowenien wie folgt beschrieben werden:

    Rechtsanwalt Dušan Kolnik, Obmann des Internationalen Vereins Freiheitsbrücke schrieb im Januar 1991 in einer Zeitung, dass Slowenien noch immer die Verordnung des AVNOJ Präsidiums anerkennt, in „das deutsche Volk mit einem Genozid bedroht wird“. Lojze Peterle, damaliger slowenische Ministerpräsident erklärte darauf im Februar und März 1991 mehrmals „in Slowenien gebe es keine deutsche Minderheit.“

     Am 4. April 1991 hat Lojze Peterle in einem Brief, als Antwort an  Brief von steiermärkischen Landeshauptmann Josef Krainer, der  über die  deutschsprachigen Bürger Slowenien schrieb, geantwortet:  “In Slowenien leben  sehr wenige Angehörige der deutschen und österreichischen Nationalität, die entweder  die slowenische  oder eine andere Staatsbürgerschaft bzw. eine Doppelstaatsbürgerschaft besitzen. Die Tatsache, dass sich  einzelne Bürger Sloweniens um die deutsche Staatsbürgerschaft  bewerben, könne  nicht zur Begründung der Existenz einer deutschsprachige  Volksgruppe  in der Republik Slowenien herangezogen werden – es handle sich dabei vor allem um  Slowenen, die sich aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen dazu entschlossen hätten und sich zu diesem Zweck auf ein Gesetz berufen, wonach  Slowenien während  des Zweiten Weltkrieges  zum Dritten Reich gehörte und  seinen Einwohnern die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen wurde.“

       Die Lage verschlechterte sich so, das im Januar 1992 von der österreichischen Seite mitgeteilt wurde, man wolle die Verhandlungen zwischen Österreich und Slowenien über die Nachfolge des österreichischen Staatsvertrages auch mit Verhandlungen über den Schutz der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien im Sinne der Festigung von Minderheiten im neuen Europa kombinieren. Der österreichische Außenminister Alois Mock hält in der Zeitschrift „Standard“(5.Februar 1992) fest: »Österreich hat das volle Recht, die Interessen der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien in selbem Maß zu vertreten, und dasselbe gelte auch für die Slowenen in Österreich.“ Der slowenische Außenminister Dr. Dimitrij Rupel solle eine verbindliche Garantie für einen „institutionalisierten“ Dialog mit der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien vorbereiten.

    Aber Rupel hält in einem Interview in „Večer “(9. März 1992)“Es gebe keine deutsche Minderheit in Slowenien“.  Nur einige Tage später stellt der Professor Dr. Nečak das Projekt „Die Deutschen in Slowenien zwischen 1941 bis 1955 vor“. Zur selben Zeit arbeitet in Österreich der Historiker Dr. Stefan Karner bereits an einem anderen, von der österreichischen Regierung finanzierten Projekt zu dem gleichen Thema. Er führte auch eine Umfrage unter Personen durch die er als Angehörige der deutschen Volksgruppe begreift.  

     Beim Besuch von Dr. Rupel in Wien, an 12. Mai 1992 verweist Alois Mock bei der zunehmend sensibler werdenden Frage der deutschsprechenden Bürger in Slowenien, Slowenien solle nicht die Regelung der Rechte an der Zahl der Deutschsprachigen bindend. Dimitrij Rupel stimmt zu und schlägt vor, diese Frage erneut fachlich zu erörtern.

      Jutta Bastl, die österreichische Botschafterin in Slowenien überreicht am 12. Juni 1992 den neuen slowenischen Außenminister Zoran Thaler offiziell das Memorandum über österreichisch/deutsche Volksgruppe in Slowenien. Thaler nimmt das Memorandum nur bedingt zur Kenntnis, mit dem Hinweis, dieses sei kein Thema für einen politischen Dialog zwischen den beiden Staaten.

Als besonders wichtig betrachtet Österreich in diesem Memorandum:

1.) Anerkennung der Existenz der deutschen Volksgruppe in Slowenien und eine gesetzliche Verankerung ihrer Rechte

2.) Förderung des Deutschunterrichtes überall dort, wo ein Bedarf besteht, vor allem im Bereich des Schulwesens

3.) Finanzielle und sonstige Förderung der Kulturarbeit der deutschen Volksgruppen

Die slowenische Regierung bezieht daraufhin folgende Position:

  • Die Frage der so genannten österreichischen/deutschen Volksgruppe wird nicht schon im Voraus als Thema des politischen Dialogs akzeptiert.
  • In der Verfassung der Republik Slowenien sind die in Slowenien lebenden nationalen Minderheiten klar definiert
  • Die Frage der Rechte der deutschsprechenden Bürger Sloweniens ist getrennt von der Frage der Reprivatisierung zu behandeln
  • In Bezug auf die Aktivitäten der deutschsprachigen Bürger setzt sich Slowenien für die Durchsetzung der allgemeinen Menschenrechte ein
  • Es wird vorgeschlagen, ein gemeinsames wissenschaftliches Projekt durch beide Staaten zu unterstützen.

    Ende Juni 1992 wird eine Stellungname von Alois Mock veröffentlicht „die deutschsprachige Volksgruppe soll in Slowenien die gleiche Rechte haben wie die anderen Minderheiten genießen, falls es sich erweisen sollte, dass eine größere Anzahl deutschsprachiger Bürger seine kulturelle Identität bewahrt hat.

     Im Februar 1993 schickt die politische Kommission der parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 2.bis zum 5. März eine Kommission nach Slowenien, mit der speziellen Anfrage, die Lage der deutschsprachigen zu untersuchen.

      Beim Treffen zwischen Außenminister Alois Mock und Lojze Peterle am 12. März 1993 im Wien setzte sich Peterle für die Beschleunigung der Arbeit der wissenschaftlichen Kommission ein, die einen gemeinsamen Standpunkt bezüglich der deutschsprachigen Staatsbürger Sloweniens erarbeiten sollen.

   In einem Gespräch des slowenischen Präsidenten Kučan mit der Botschafterin Österreich in Slowenien Jutta Bastl am 30. April 1993, intervenierte Kučan für die Anerkennung der „österreichischen Volksgruppe“ in der Steiermark. Österreich wolle diese Frage an die Frage der Slowenen in der Steiermark knüpfen. Anlässlich der Gespräche mit Vertretern der slowenischen Minderheit in Österreich erklärt der slowenische Präsident am 5. Juli 1993 „Slowenien werde sich ernsthaft mit der Forderung nach der Anerkennung der „Existenz der altdeutschen Minderheit“ in Slowenien auseinandersetzen müssen. Sollte deren Existenz festgelegt werden, müsste man sie anerkennen.“

      Nach einem Gespräch mit dem österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil in Ossiach/Osoje erklärte Milan Kučan (laut Kleine Zeitung) das Problem der Altösterreicher existiere und Experten aus beiden Staaten seien dabei, Lösungen zu erarbeiten. Den Altösterreichern sei nach dem Krieg Unrecht geschehen.

    Am 30. Oktober 1993 erklärte slowenischer Außenminister Lojze Peterle in „DELO“ es sei ein Forschungsprojekt über „deutsche Minderheit“ im Gange.

    Beim 4. Kongress der europäischen Volksgruppen in Drobollach/Drobolje bei Villach/Beljak erklärte Dušan Kolnik, „Slowenien sei der einzige postkommunistische Staat, der die deutsche Volksgruppe nicht anerkenne.“

     Beim Treffen zwischen Lojze Peterle und Alois Mock in Debrezen am 19 und 20. November 1993 schlägt die österreichische Seite vor, Österreich und Slowenien sollten die Problematik der Altösterreicher in Slowenien separat erforschen und im halbjährlichen Abstand gemeinsame treffen abhalten. Slowenien sollte der Arbeitsgruppe von Nečak ein formelles Mandat erteilen und das notwendige Mitteln für die Arbeit zur Verfügung stellen.

    Am 25. November 1993 hält Alois Mock einen Vortrag über Vertreibung der Deutschen. Seiner Meinung nach geht es dabei um eine der größten Ungerechtigkeiten des 20. Jahrhunderts. Die Lösung des Problems liege in der Einbeziehung der Vertriebenen in der Wiederbelebung der Wirtschaft in deren ehemaligen Heimatländern durch die „Reformstaaten“.

      Die Problematik wird in den folgenden Jahren noch intensiviert. Bis 1998 verfassen sowohl die slowenische als auch die österreichische Seite ihre eigenen wissenschaftlichen Studien über die deutschsprechenden Bürger der Republik Slowenien. Leiter der slowenischen Projektgruppe war Professor Dr. Dušan Nečak, die österreichische Studie, deren Ziel es war, die Existenz der deutschen Volksgruppen in Slowenien zu beweisen, wurde von Professor Dr. Stefan Karner erarbeitet.

     Abschließend wurde eine Lösung für die Regelung des Status der deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe in Slowenien, sowie für die Befriedigung ihrer nationalen, kulturellen und anderen anliegen im Rahmen eines Kulturabkommens zwischen Slowenien und Österreich angepasst. Also war die Aussage des slowenische Außenminister Boris Frlec im Januar 1998 (am Anfang) keine Überraschung, sondern ein vorbereiteter Umweg.

    Ein klassisches Kulturabkommen wurde von slowenischer Seite schon 1992 Österreich vorgeschlagen, da bestehendes Kulturabkommen zwischen SFRJ und Österreich aus dem Jahr 1972 nicht übernommen wurde. Wegen der Ungewissheit, Österreich hat auf diesen Vorschlag von 1992 bis 1995 nicht reagiert, hat slowenische Seite einen Plan B vorbereitet, ein Bilaterales Abkommen nur zum Schutz der slowenischen Minderheit in Österreich. Aber es kam zu keinem Abkommen, da die österreichische Seite darin auch die Lage der deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe in Slowenien, die von der österreichischen Seite als Minderheit bezeichnet wurde, vorgeschlagen hat. Die slowenische Seite war nicht bereit diese Bezeichnung zu akzeptieren. Noch im Herbst 1997 erklärte der damalige slowenische Außenminister Boris Frlec (Mladina, 23. Okt 1997), er kenne keine deutsche Minderheit in Slowenien. Aber bei solcher Aussage machte auch Österreich Wandel um 180 Grad und erklärte Slowenien das Recht ab, im Zuge der nicht Nachfolge des österreichischen Staatsvertrages den Vertretungsrecht für die Interessen der slowenischen Minderheit ab.

    Nur drei Monate später (Januar 1998) hat Boris Frlec in Wien (wie am Anfang erwähnt) seine Meinung geändert, weil er sagte „die deutschsprachige Minderheit in Slowenien soll nicht in die Verfassung kommen, sondern soll ihre Existenz im Rahmen des bilateralen Kulturabkommens fixiert werden.“ 

    In zwei Verhandlungsrunden wurde Kulturabkommen im Oktober 1997, sowie im Juni 1998 weitgehend abgestimmt. Ungelöst blieben die zwei wichtigsten Fragen für Slowenien und zwar die Nachfolge beim österreichischen Staatsvertrag und österreichische Forderung nach gleichzeitiger Anerkennung der Minderheiten auf beiden Seiten, also auch die sogenannten „deutschen  als Volksgruppe“ in Slowenien.

     Bei der dritten Verhandlungsrunde im Dezember 1998 wurde am Ende eine Kompromisslösung gefunden. An der Stelle des „Österreichischen Staatsvertrags“ wurde Begriff „internationale Rechtsinstrumente“ gesetzt, was auch den Österreichischen Staatsvertrag impliziert. So wurde die slowenische Volksgruppe in Österreich zum ersten Mal in einem internationalen Vertrag als ganzheitliches Subjekt definiert.

   Andererseits wurde der slowenische Text „deutschsprachige ethnische Gruppe“ (in Deutsch als „deutsche Volksgruppe“)  mit Artikel 15 nur in slowenischer Version zusätzlich eingeräumt…   mit Rechten im Sinne des Artikels 61 der Verfassung der Republik Slowenien, und nicht im Sinne des Artikels 64, der über die Minderheiten spricht. Damit wurde eine klare Unterscheidung zwischen kollektiven und individuellen Rechten gesetzt.

     Das Kulturabkommen wurde anlässlich des Besuches der österreichischen Außenministerin Dr. Benita Ferrero -Waldner in Laibach/Ljubljana am 30. April 2001 unterzeichnet.

      Die Ratifizierung des Abkommens wurde im österreichischen Parlament mit folgenden Worten Dr. Benita Ferrero -Waldner bekräftigt:  “Durch dieses österreichisch-slowenische Kulturabkommen hat Slowenien nun erstmals- ich glaube, das ist ein echter Durchbruch- eine ausdrückliche völkerrechtlich verbindliche Zusage gemacht, noch heute in Slowenien lebenden deutschsprachigen nachkommen, der Bewohner früherer deutschsprachiger Gebiete.“

       Das Abkommen wurde von den österreichischen Medien begeistert begrüßt, wobei betont wurde, dass es sich lediglich um den ersten Schritt auf dem Weg zur Anerkennung der Minderheit in Slowenien handle. In Slowenien wurde das Abkommen etwas zurückhaltend aufgenommen.

Separat

Die schriftliche parlamentarische Anfrage wird wie folg von der Bundesministerin Dr. Claudia Schmied beantwortet.…Abkommen   mit der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet Kultur… wurde besonders unter dem Aspekt der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien verabschiedet. ….Im Zuge  der zweitägiger Tagung der Gemischten Kommission  wurden keine konkreten Projekte von Vereinen der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien  zur Aufnahme in das aktuelle Arbeitsprogramm herangetragen worden. Auch sonstige Förderansuchen besagter Gruppen zum Thema sind nicht verzeichnet worden. ..

…Am Vorabend der letzten Tagung der Gemischten Kommission gemäß dem Kulturabkommen, am 15. und 16. Mai 2007 in Laibach fand ein Treffen der österreichischen Delegation mit Vertretern der deutschsprachigen Volksgruppe statt. Als Folge dieses Treffens wurde am nächsten Tag ….  Die Aufnahme konkreter Projekte fand wegen Ermangelung des Vorhandenen Vorschlägen für die nächstem Jahre nicht statt…“…

Zusammengefast aus

  1. Buch: Slowenisch-Österreichische Beziehungen im 20. Jahrhundert, Seite 684-693
  2. Zitate aus Zeitungen
  3. Archiv Parlament Republik Österreich, Anfragebeantwortung, Wien, 26.3. 2008

IMPRESSUM:

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Redakteur: Jan Schaller
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