RUDOLF WAGNER

der Marburger Organist, Dirigent, Komponist und Musiklehrer

An einer der Alleen des Friedhofs von Pobrežje/Pobersch in Marburg steht ein Granitblock, auf dem nur ein markantes Gesicht zu sehen ist und die hinzugefügte Inschrift: Rudolf Wagner – Tondichter. Nur wenige Leute wissen, dass er an einen verdienstvollen Marburger Musiker erinnert.

Rudolf Wagner wurde am 30. Mai 1851 in Wien geboren, seine Eltern waren der Unternehmer Johann Wagner und Katharina geb. Wetchy. In Wien besuchte er die Schulen und das Konservatorium, wo er einen Abschluss aus Flöte, Kontrapunkt und Komposition erwarb. Im Jahre 1874 wurde er Solo-Flötenspieler im Burgtheater-Orchester, um sich von dort auf den Weg eines Theater- und Militärkapellmeisters zu begeben. Er wanderte durch über zehn Städte der Donaumonarchie, unter anderem arbeitete er in Budapest, Olomouc, Bukarest, Mostar, Triest und Meran. Seine Wanderjahre fanden im Jahre 1881 in Marburg ein Ende. Dort hatte er bereits in den Siebzigerjahren eine Spielzeit lang das Theaterorchester dirigiert, um dann die Stelle des ständigen Dirigenten anzutreten, was alles in ihrer Marburger Musikgeschichte von Dr. Manica Špendal bearbeitet worden ist. Bald übernahm er auch das Amt des Organisten in der Marburger Domkirche, was wiederum im Buch über die Marburger Organisten von Lučka Fortek schön geschildert worden ist. Zusammen mit Janez Miklošič unterrichtete er Musik an der Männer-Lehrerbildungsanstalt. Nach bestandenem Staatsexamen wirkte dann Wagner von 1896 bis zu seinem Tod am 26. Dezember 1915 als Gesanglehrer am klassischen Gymnasium.

Neben seinem Dienst übernahm Wagner den damals bereits international anerkannten Marburger Männergesangverein, den er von 1882 bis 1915 leitete. Es handelt sich um den ältesten Gesangverein in der damaligen Österreichischen Monarchie. Der im Jahre 1846 vom Lehrer Anton Tremmel gegründete Verein feierte seine größten Erfolge gerade unter der Leitung von Wagner und siegte wiederholt auch bei Chorwettbewerben. Wagner wurde zum leitenden Chorleiter des Landes erklärt. Der Marburger Bierbrauer Anton Götz, der auch selber Vereinsmitglied war, baute für den Chor einen Saal, wie ihn kein anderer Chor hatte und in dem heute der Weltwettbewerb der Chöre stattfindet. August Stoinschegg verfasste über diesen berühmten Marburger Chor die umfangreiche "Chronik des Männergesangvereines 1846-1936", Karl Rappold hat über den Chor im Jahre 1961 eine Doktorarbeit geschrieben, die auch veröffentlicht worden ist.

Seine ausgezeichnete musikalische Ausbildung, an der Köhler, Kässmayer und auch Suppè teilhatten, machte ihn zu einem guten Komponisten. Emerik Beran, eine der größten Marburger Musikautoritäten, schrieb an seinen guten Freund Leoš Janaček: "Rudolf Wagner ist ein wohl bekannter und vorzüglicher Komponist". Verschiedene Musikereignisse, an denen er teilhatte, unterstützte er immer auch mit eigenen, sehr gut ankommenden Kompositionen, von denen es fast 300 gibt. Als Kapellmeister von Militärblaskapellen komponierte er zahlreiche Märsche und Tanzstücke. die uns dank der sorgfältigen Forschungsarbeit von Prof. Wolfgang Suppan bekannt sind. Auch im Theater hat er nicht nur die Werke von anderen Komponisten dirigiert, er hat vielmehr eine Reihe von Singspielen und drei Operetten beigesteuert: Marietta, Das Blümchen Wunderhold und Bramabasetto. Als Organist der Marburger Domkirche hinterließ er ein umfangreiches und hochwertiges Kompositionswerk: Messen, Chöre, Orgelkompositionen. Die Übersicht von Edo Škulj im Lexikon der Kirchenmusiker gibt genügend Aufschluss darüber, wieso Bischof Napotnik Wagner so hoch geschätzt hat.

Zu den bekanntesten Kompositionen von Wagner gehört zweifellos die Motette Jubilate Deo, ein vorzügliches Vokalwerk, mit dem der Chor des Musikvereins Glasbena matica in Laibach den Festakt dieser bedeutendsten slowenischen Musikvereinigung intoniert hat. Wagners Kompositionen für den Männerchor sind schon längst verstaubt, weil sie dem Vergessen anheimgefallen sind, obwohl es sich durchwegs um hochwertige Stücke wie Frieden, Des Liedes Weihe, Die Ahnfrau und viele andere handelt.

Rudolf Wagner lebte in Marburg in einer Zeit, in der sich das Kulturgeschehen der Stadt spaltete und die frühere Koexistenz zu Hass ausartete. Alle seine Zeitgenossen bezeugten, dass er selber das weder generiert noch unterstützt hat, dass er sich mit beiden Seiten gut verstanden hat und dass er, wie Jakob Richter im slowenischen biographischen Lexikon schreibt, unumstrittene „Verdienste für die Entwicklung der Musikkultur von Marburg“ hat.

Franci Pivec

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