Das Abstallerfeld, mit einer Fläche von 36 km2, wurde nur von der deutschsprachigen Bevölkerung bis 1918 während der österreichisch-ungarischen Monarchie besiedelt. Das Abstallerfeld war nach dem Ersten Weltkrieg mit St. Germain Vertrag (angenommen am 10.9.1919) an das Königreich SHS ausgetauscht für Bad Radkersburg mit Umgebung. Territoriums auf dem linken Ufer der Mur wurde neuem Stadt Österreich zugewiesen. Die Grenze zwischen zwei neuen Staaten wurde endgültig Fluss Mur.
Während der Friedenskonferenzverhandlungen könnte das SHS-Königreich das Abstallerfeld verlieren. Bei den letzten Friedenskonferenzbesprechungen wurde nämlich Bad Radkersburg mit Umgebung, alles am linken Ufer der Mur, Österreich zugeteilt, und eine Volksabstimmung für das ganze Gebiet, besetzt von General Maister Truppen, war ebenfalls im Gange. Um die Volksabstimmung zu verhindern, wurde die Grenze entlang der Mur für beide Seiten die beste Lösung. Die General Maister Militärtruppen mussten daher das Territorium über die Mur verlassen. Der Wiener Großhändler Julius Meinl, der 1907 das Gut Freudenau in Schirmdorf/Črnci kaufte, blieb aber Besitzer auch im Königreich Jugoslawien, bis zur Verstaatlichung im Jahr 1945.
Nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wanderten hierher Ansiedler aus verschiedenen Regionen, die auf verstaatlichten Landbesitz ihre neue Heimat fanden. Einwanderer waren aber an landwirtschaftliche Arbeiten nicht gewöhnt. Bei der gewaltsamen Eingliederung in die Genossenschaften verließen die meisten von ihnen den ansonsten zugeteilten Grundbesitz. Die geleerten Güter wurden dann von Bewohnern aus Prekmurje (Nebenregion) übernommen. Das bedeutete fast vollständige Umwandlung der ursprünglichen Bevölkerung des Abstallerfeldes und schuf zwei lokale gesprochene Sprachen in der Region - die Alt-Abstaller Deutsch und Prekmurje Dialekt, das auch heute zunehmend dominiert.
Die im März 2006 neu gegründete Gemeinde Apače/Abstall umfasst heute 53,2 km2 und erstreckt sich entlang den Fluss Mur von Wiesenbach/Trate bis Podgrad, Vorort Gemeinde Radgona(Radkersburg auf slowenischer Seite). Er umfasst heute 21 Siedlungen. Die Gemeinde hat 3.745 Einwohner in 1.241 Haushalten. Der Bürgermeister der Gemeinde ist der junge dr. Andrej Steyer.
So lebten wir im Abstaller Becken
Auszugsweise aus „Der Untersteirer 1992 – 1994“
Das Abstaller Becken, das südlich der Mur zwischen Mureck und Bad Radkersburg liegt, ist eigentlich
nur ein halbes Becken, das vom Südosten, bis Südwesten von den Windischen Bücheln begrenzt wird und
nach Norden, zur Mur hin, offen ist. Es war ein Teil des geschlossenen deutschen Siedlungsgebietes der
Steiermark und wurde ausschließlich von Deutschen bewohnt, deren verwandtschaftliche Beziehungen
hauptsächlich über die Mur reichten, soweit sie überhaupt über das Gebiet hinausgingen, während sie
nach Süden kaum vorhanden waren. Das zeigt sich auch in der Mundart, die dort gesprochen wurde, denn
sie unterscheidet sich so gut wie nicht von „eachlmurischen“, sowohl was die Mundartausdrücke wie
auch die Mundartfärbung betrifft.
Es war ein Bauernland, das die typische bäuerliche Struktur der südöstlichen Steiermark aufwies, ein
geschlossenes Ganzes, das vom bäuerlichen Leben geprägt wurde, wobei Handel und Gewerbe in diese
Lebensweise integriert waren. Industrie hat es dort keine gegeben.
Diese völkische Einheit hat sich nach dem Ersten Weltkrieg bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges vor
allem in ihrem Kern weitgehend intakt erhalten können, obwohl in den Randgebieten die Slawisierung
beträchtliche Fortschritte gemacht hat. So waren in unserem Dorf Glasbach vor dem Ersten Weltkrieg
vier slowenische Häuser, vor dem Zweiten Weltkrieg nur mehr vier deutsche. Wirtschaftlich war das
Abstaller Becken für die damaligen jugoslawischen Verhältnisse gut gestellt, obwohl die
landwirtschaftlichen Produkte stets schlechte Preise hatten. So mussten wir zeitweise 40 Eier für 1kg
Zucker hergeben. Kulturell hat es allerdings sehr gelitten, dass das zweisprachige Schulwesen den
Lebensbedingungen einer ethnischen Minderheit in keiner Weise gerecht wurde. Mit dem Ende des
Zweiten Weltkrieges wurde diese ethnische Einheit vollkommen zerschlagen.
Ich wurde 1906 in Abstall geboren und besuchte dort die Klosterschule. Einige Mädchen, so auch ich,
bekamen von den Schwestern Privatunterricht, um im Stammhaus der Schulschwestern in Eggenberg die
Privatistenprüfung für Bürgerschulen ablegen zu können, was mir mit sehr gutem Erfolg gelungen ist.
Mein Vater meldete mich in der eigenen Lederhandlung als Verkäuferin an, was für damalige
Verhältnisse etwas Besonderes war. Er betrieb auch eine Gerberei, in der er Leder und Sohlen aus den
Tierhäuten erzeugte, die ihm die Bauern zum Gerben brachten. Von den Bauern wurde er auch mit
Eichenrinde und Knoppern versorgt, die zur Herstellung der Gerberlohe notwendig waren. Ein Teil der
erzeugten Produkte wurde von den Bauern gegen den Gerberlohn zurückgenommen, weil sie daraus
Schuhe für die ganze Familie und die Dienstleute anfertigen ließen, was ein „Störschuster“ beim Haus
besorgte. Die Bauern des Beckens bis hin zu den Windischen Büheln kamen mit ihren Tierhäuten in
unsere Gerberei, so dass dort jährlich ungefähr 1000 Häute gegerbt wurden. Die Häute, die von den
Bauern nicht benötigt wurden, konnte mein Vater zu Rohleder verarbeiten und meist an Juden für
Galanteriewaren verkaufen. Daraus wurden Taschen, Autositze u. ä. angefertigt.
Das Leben im SHS-Staat brachte zunächst für uns keine allzu großen Veränderungen. Schulen, Kirche
und Ämter blieben weitgehend deutsch. Schön langsam wurden dann die Schulen doppelsprachig. Doch
die älteren Leute konnten und lernten auch jetzt kein Wort Slowenisch. Die slowenischen Lehrer
versuchten aber immer mehr, die Schüler in die slowenischen Klassen zu bringen, und es bedurfte der
Standhaftigkeit der deutschen Eltern, sie in den deutschen Klassen zu belassen. In den oberen Klassen
wurde dann ohnehin Slowenisch unterrichtet. Dabei taten sich die Kinder besonders schwer, da sie die
stimmhaften Laute nicht aussprechen konnten. Umso erfreuter waren sie dann nach dem April 1941, als
es wieder nur deutschen Unterricht gab. Wirtschaftlich ging es uns in der jugoslawischen Zeit nicht
schlecht. Wir hatten im Vergleich zu Österreich keine Inflation, und es gab keine politischen Unruhen.
Außer unserem Geschäft gab es in Abstall noch eine Reihe anderer Gewerbebetriebe. Da war einmal das
Kaufhaus Kolleritsch, das später auf Krempl überging. Der verpachtete das Geschäft an Löschnigg, weil
er nicht in Jugoslawien bleiben wollte und nach Radkersburg zog. Später verkaufte er das Kaufhaus an
Kossi, von dem wir es dann übernahmen. In Abstall gab es vier Gasthäuser: Beim „Fürst“ trafen sich
allwöchentlich der Pfarrer, der Oberlehrer, der Bürgermeister, der Arzt, die Kaufleute und die
Gewerbetreibenden zu einer Stammtischrunde. Dort wurden die Neuigkeiten und die politische und die
wirtschaftliche Lage besprochen. Dann gab es das Gasthaus Kern, das Gasthaus Wresnig (später Hödl)
und das Gasthaus Bauer. Als die Familie Bauer nach Österreich zog, kaufte das Gasthaus ein gewisser
Kücan aus dem Übermurgebiet. So gingen auch einige Landwirte nach Österreich. An ihre Stelle kamen
dann meistens Slowenen aus dem Übermurgebiet. Auch mit ihnen hatten wir ein recht gutes Verhältnis.
Kern und Wresnig waren die zwei Fleischhauereien. Die Tischlerei Ertl lag etwas außerhalb des Ortes.
Auch in den übrigen Dörfern waren kleine Handwerksbetriebe. Die Familie Hötzl führte eine Bäckerei
und eine Mühle. Hötzl fuhr mit einem Pferdewagerl zu den Wirten und Kaufleuten des ganzen Beckens
und stellte hauptsächlich Semmeln zu, denn Brot hatten die Bauern selber. Aber sie aßen auch einmal zur
Abwechslung „Bäckerbrot“.
In den Dörfern gab es auch Mühlen, die im Winter auch Öl aus den Kürbiskernen pressten. Das waren die
Krobath-, die Wisik-, die Faschingmühle, in Abstall die Bauernmühle, in Sögersdorf die Kröllmühle. Sie
lagen alle am Mühlbach, der bei Obermureck von der Mur abzweigend in Sögersdorf wieder in die Mur
mündete. In Leitersdorf gab es noch sehr lange, bis in die Dreißigerjahre eine Schiffsmühle an der Mur
Mandl‘s hatten eine große Schmiede. Von dieser Familie feierte ein Sohn am 26. Juli 1914 seine Primiz.
Ich war damals als Mädchen im weißen Kleid dabei und merkte mir das Datum so gut, weil von der
Primiz weg zwei Herren, die Offiziere waren, wegen des Kriegsausbruches sofort einrücken mussten.
Markowitsch hatte eine Schlosserei, die mit einem Fahrrad- und Nähmaschinenhandel verbunden war.
Auch ein Wagner, Zelzer, später Grafoner, bestand in Abstall. Zwei Schneider, Ornig und Talmeier,
hatten wir auch, außerdem den Maier-Sattler und zwei Malerbetriebe und einen Steinmetz (Tschrpnja),
einen Bindermeister und einige Schneiderinnen, die wie die Schuhmacher und Schneider viel auf der
„Stör“ arbeiteten. Dazu gab es noch einen Spengler und einen Friseur im Kern-Haus.
In Abstall wirkte auch ständig ein Distriktsarzt. Das war Dr. Semlitsch, der im Ersten Weltkrieg gefallen
ist, dann kam Dr. Mathey, und zuletzt war es Dr. Hötzl.
Dieses schöne, ruhige und beschauliche Leben hatte dann im Jahre 1945 ein jähes Ende. Mein Mann
wurde, wie viele andere auch, im Mai von Partisanen verschleppt und ist seither verschollen. Am 4. Juli
standen in aller Herrgottsfrühe zwei Männer in unserer Wohnung. Die Lastwagen warteten schon, und ich
wurde mit meiner Mutter und meinen Kindern und vielen anderen Abstallern nach Sternthal gebracht. Die
drei Kinder konnten nach 8 Wochen von Verwandten abgeholt und heimgebracht werden, meine Mutter
und ich mussten bis 10. September bleiben. Im Winter hatten wir dann schon immer gehört, dass alle
Abstaller ausgesiedelt werden sollten, worauf ich die wichtigsten Papiere und die Habseligkeiten
vorbereitete, die ich dann am 13. Jänner 1946 auf den Aussiedlungstransport mitnehmen konnte. Der
Transport in Viehwaggons führte von Oberradkersburg weg über Luttenberg, Kroatien und Ungarn nach
Wien. Wiener Sommerfrischler, die in Abstall oft ihren Urlaub verbracht hatten, erfuhren von diesem
Transport, nahmen uns mit und beherbergten uns vorübergehend. So mussten wir den leidvollen
Rücktransport über Ungarn, wo viele Abstaller ihr Leben lassen mussten, nicht miterleben, sondern wir
gelangten auf Umwegen nach Graz und dann nach Straß, wo wir unsere neue Heimat fanden.“
Der letzte Abstaller Arzt Dr. Hötzl ist allen Abstallern in bester Erinnerung. Seine Güte, besonders den
Armen gegenüber, war allerorts bekannt. Nicht selten war es so, dass er bei einem Krankenbesuch sein
eigenes Handtuch und seine Seife zurückließ, wenn er sah, dass diese Dinge dort fehlten. Obwohl er
schon in Österreich war, wurde er im Mai 1945 nach Abstall zurückgelockt. Er bekam von den Partisanen
eine Botschaft, dass ihn die Bevölkerung dringend brauche und es werde ihm nichts geschehen. Er wurde
dann von den Partisanen verschleppt und ermordet.
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Redakteur: Jan Schaller
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